Das Farbenbuch entführt in die prachtvolle Welt der Pigmente und Farbstoffe - von der prähistorischen Zeit bis in die Gegenwart. Denn bereits vor Jahrtausenden waren Menschen davon fasziniert, Rohstoffe wie Mineralien, Pflanzen und tierische Produkte zwecks Farbgewinnung zu mahlen, sieben, kochen, mischen, verbrennen oder anderweitig zu transformieren. Ihre Schönheit, Kostbarkeit und Symbolträchtigkeit machte Farbmittel zu begehrten Besitztümern und Tauschwaren.
Anhand der Wege, die sie zurücklegten, lassen sich daher ganze Handelsrouten nachvollziehen. Doch der Markt war nicht stabil, sondern befand sich in stetem Wandel: Interkontinentale Handelsbeziehungen wurden im Zuge der grossen Entdeckungsreisen und des Kolonialismus aus und aufgebaut, giftige Pigmente und Farbstoffe staatlich verboten, neue technische und chemische Erkenntnisse gewonnen. Während einst gefragte Farbmittel von der Palette verschwanden, erlebten andere ihren Siegeszug. So entstand im Laufe der Zeit ein wechselndes Spektrum an Farben, ohne die Malerei, Textilindustrie, materielle Kultur, weltliche und religiöse Ritualgestaltung, Informationsvermittlung und soziale Distinktion nicht denkbar gewesen wären.
Diese beeindruckende Farbenvielfalt beleuchtet das Farbenbuch aus einer fachübergreifenden Perspektive. Dadurch bietet es Inspiration für Restauratorinnen, Kunsthistorikern, Architektinnen, Lehrpersonen, Chemiker, Künstlerinnen, Grafiker sowie weitere Farbinteressierte und Fachkräfte. Herzstück des Farbenbuchs bildet ein einzigartiges Kompendium mit 370 Pigmenten und Farbstoffen, alle in ungemischter, reiner Form. Auf einheitliche Art und Weise werden sie im Hinblick auf Aspekte wie chemische Zusammensetzung, Vorkommen, Produktion/Herstellung, Geschichte und Anwendung beschrieben und in ihrer Materialität präsentiert. Handgefertigte Farbmuster auf Papier und textile Färbungen sowie Fotografien sämtlicher Pigmentpulver und Rohstoffe machen das Kompendium zu einem sinnlich-ästhetischen Erlebnis.
Ebenfalls illustrieren über 50 Gemälde und Fresken die Einsatzmöglichkeiten von Farbmitteln in der Kunst. Eine Timeline der Pigmente und Beiträge zu Bindemitteln, zur Farbstoffsammlung der Technischen Universität Dresden und zur Herstellung von Pigmenten im Labor ergänzen das Kompendium. Die grosse Bedeutung der Farbmittel für die Kunstgeschichte wird im darauffolgenden Kapitel vertieft. 17 Pigmentanalysen von Gemälden und Wandmalereien legen nicht nur detailliert dar, welche Farben in einem bestimmten Zeitraum erhältlich waren, sondern sie geben auch Einblick in künstlerische Techniken und Prozesse. Damit stellt das Farbenbuch einen fundierten Praxisbezug zu verschiedenen Epochen der Kunstgeschichte her. Das letzte Kapitel vereint eine bunte Palette an Farbgeschichten. Ein Grossteil der Texte liefert historische Zusatzinformationen zu ausgewählten Farbmitteln und verdeutlicht deren enge Verschränkung mit der Wirtschafts-, Sozial-, Kolonial- und Wissenschaftsgeschichte. Verschiedene Beiträge greifen dabei die oftmals prekären sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen von Pigmenten und Farbstoffen auf, die Schattenseite der Thematik. Aber auch archäologische, naturwissenschaftliche, philosophische und sprachorientierte Zugänge zu Farben erhalten Raum. Texte, in denen Künstler und Künstlerinneninnen ihre persönlichen Erfahrungen mit Farbstoffen und Pigmenten preisgeben, komplettieren das Kapitel. Grosszügig bebildert, erlauben die Farbgeschichten eine Zeitreise von der Ur- und Frühgeschichte bis heute. Ein umfangreiches Glossar, in dem die wichtigsten Fachbegriffe verständlich erklärt werden, rundet das Farbenbuch ab.
Das Farbenbuch initiiert haben der Künstler und Farbforscher Stefan Muntwyler, der Grafiker und Buchgestalter Hanspeter Schneider sowie der Chemiker und Gymnasiallehrer Juraj Lipscher. Sie spannen den Bogen von den ersten Farben der Menschheit bis zu den modernsten Farbmitteln.
